Thüringer Verfassungsschutz bezahlte Aufbau von NPD-Struktur


Kai_Uwe_Trinkaus
Eine brisante Meldung ist gestern angesichts des Verbotsrummels um die NPD fast untergegangen. Dabei verfügt sie über ordentlich Zündstoff: Ein ehemaliger NPD-Spitzenkader aus Thüringen finanzierte mit den Geldern, die er als V-Mann des Landesamtes einstrich, den Aufbau der braunen Struktur im Freistaat. Außerdem veröffentlichte er eine Liste mit Namen von politischen Gegnern. Auch dieses Dokument soll ihm aus der Behörde zugespielt worden sein.

Storch Heinar

Kai-Uwe Trinkaus (2. von rechts) gehört zu den schillerndsten Figuren der braunen Szene. Der 46-Jährige fiel vor allem durch seine rege Vereinstätigkeit auf. Einige Vereine will er selbst gegründet, andere unterwandert haben. Dabei wurde immer der gleiche Plan verfolgt: Sein Gedankengut und seine Gesinnung weit in die Mitte der Gesellschaft hineinzutragen. Deshalb wählte er unverfängliche Namen für seine Neugründungen, z. B. „Schöner leben in Erfurt“. Auf die Spitze trieb er seine Unterwanderungspläne, als er 2007 einen seiner Anhänger, Andy F., als „Informant“ in die Fraktion der Linken im Landtag einschleuste. Mit dem Verfassungsschutz seien alle Aktionen abgesprochen gewesen, sagt der selbstständige Immobilienmakler heute.

Gestern ließ Trinkaus, der das erste NPD-Bürgerbüro in Thüringen eröffnet haben soll, die Bombe platzen. In einem Interview mit demMDR offenbarte der frühere PDS-Stadtrat (1994-1995), er sei insgesamt fünf Jahre (2005-2010) V-Mann des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz unter dem Decknamen „Ares“ gewesen. Sicherheitskreise bestätigten die Meldung.

2008 wurde Trinkaus aus der NPD ausgeschlossen, zwischenzeitlich hatte er es bis zum Erfurter Kreisvorsitzenden geschafft. Den gegen den damaligen Landesvorsitzenden Frank Schwerdt angezettelten Putsch, den er gemeinsam mit dem vorbestraften Neonazi Thorsten Heise in Angriff genommen hatte, sollte ihm nicht verziehen werden. Das Ziel der beiden Putschisten war klar: Man wollte sich kurz vor der aussichtsreichen Landtagswahl 2009 in eine gute Position bringen, um anschließend auf den warmen Abgeordnetenbänken Platz nehmen zu können. Anschließend heuerte der Geschasste bei der DVU an, auf einer Webseite mit dem Namen „Pro Erfurt“ hetzte und ätzte er weiter gegen seine einstigen NPD-Parteifreunde.

Eigentlich wäre diese Episode nur eine Fußnote der Geschichte. Doch die NPD hat Trinkaus wohl viel zu verdanken, weshalb hier ein handfester Skandal erwächst. Nach eigenen Angaben habe Trinkaus für seine Spitzeldienste monatlich einen „Lohn“ von bis zu 1.000 Euro bezogen – und dieses Geld in den Aufbau der Organisationsstruktur des NPD-Kreisverbandes gesteckt. Damit sei die rechtsextreme Zeitung „Bürgerstimme“, aber auch die Miete für die Parteiräumlichkeiten bezahlt worden. Weitere Gelder seien außerdem in die dubiosen Vereine geflossen.

Auch der enttarnte V-Mann Toni Brandt, Kopf des militanten „Thüringer Heimatschutzes“ (THS), betonte stets, dass die ihm gezahlten 200.000 DM in die „Bewegung“ geflossen seien. Der Wahrheitsgehalt dieser Behauptungen ist nicht überprüfbar. Allerdings dürfte Brandt mit diesen Aussagen bei seinen „Kameraden“ besser dastehen, als wenn herauskäme, dass er die beträchtliche Summe vollständig in die eigene Tasche gesteckt hätte. Dabei ist sein Geltungsdrang bekannt.

Offenbar hat Trinkaus aber noch weit mehr vom Inlandsgeheimdienst bezogen als nur Geldzuwendungen. Nach einem Überfall auf eine bei Neonazis beliebte Kneipe veröffentlichte der frühere NPD-Strippenzieher eine Liste mit den Namen der elf Verdächtigen im Internet. Die Personalien, so sagt Trinkaus, habe er aus dem Amt bekommen. Nach Angaben des Blogs „Publikative“ wurden damals Ermittlungen gegen Unbekannt eingeleitet, um herauszufinden, wer Trinkaus die Liste zugespielt habe. Alle Ansätze seien aber im Sande verlaufen.

Foto: Indymedia, Lizenz: CC

 

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