Süddeutsche| Kommentar – Die Gefahr wird verkannt


Man fragt sich ernsthaft, was passieren muss, damit die Gesetzeshüter hart gegen die rechte Szene vorgehen

Von Isabel Meixner

Wer mit Staatsschützern über Neonazis redet, bekommt reflexartig Sätze wie diesen zu hören: „Es gibt aber auch die Linksextremisten.“ Stimmt. Nur haben die keine Asylbewerberunterkünfte angezündet, Hakenkreuze und andere menschenverachtende Graffiti etwa in Grafing an den S-Bahnhof geschmiert oder – wie ganz aktuell – mit Messer, Stock und Hämmern einen Dönerladen in Ebersberg überfallen. Die Ermittler, so wirkt es, versuchen seit Monaten, rechtsextreme Taten kleinzureden und die potenzielle Gefahr von Gruppen heraufzubeschwören, die mit der Tat nichts zu tun haben. Doch das ist nicht ihr Job. Der Job der Staatsschützer ist es, die Straftäter und Hintergründe zu ermitteln. Punkt.

Dass es ihnen dabei offenbar an politischem Feingefühl mangelt, zeigt sich exemplarisch im Fall von Landrat Robert Niedergesäß: Die Polizei informierte ihn nicht via Handy über den Vorfall, sondern schickte ihm die Nachricht per Fax ins Landratsamt – am Samstag, an dem dort niemand anzutreffen ist. So erfuhr Niedergesäß erst am Montag von dem Angriff. Auch der Umgang mit den Tatverdächtigen wirft Fragen auf: Sie sind wieder auf freiem Fuß, wurden bis heute aber nicht vernommen – Zeit genug, ihre Aussagen, wenn nötig, aufeinander abzustimmen. Ermittelt wird gegen vier von ihnen lediglich wegen gefährlicher, nicht einmal wegen schwerer Körperverletzung. Zum Vergleich: Wer auf dem Volksfest im Affekt einem Nebenbuhler einen Bierkrug überbrät, erhält die gleiche Anklage. Doch eine Tötungsabsicht, die ein höheres Strafmaß nach sich ziehen könnte, will die Staatsanwaltschaft München II nicht erkennen, auch wenn die Angreifer ein Messer mit sich brachten. Nur weil jemand ein Messer mitbringt, will er noch lange keinen abstechen, heißt es da lapidar. Nein? Was sonst? Käsekuchen schneiden?

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