Bundestag| Sicherstellungen von Asservaten beim verstorbenen V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz „Corelli“- Kleine Anfrage


Antwort
der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Pau, Martina Renner, Dr. André
Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/2115 –

Sicherstellungen von Asservaten beim verstorbenen V-Mann des Bundesamtes
für Verfassungsschutz „Corelli“

 

Vorbemerkung de r Fragestel l e r
Am 7. April wurde der V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV)
„Corelli“ tot in seiner Wohnung am Stadtrand von Paderborn aufgefunden. Die
die Umstände des Todes ermittelnde Polizeibehörde Bielefeld stellte eine
ganze Reihe von Asservaten sicher.
Das Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ berichtete, dass sich später auch
die Karlsruher Bundesanwaltschaft in die Ermittlungen eingeschaltet hatte und
die Wohnung des ehemaligen V-Manns „Corelli“ durchsuchen ließ. „Die Ermittler
stellten unter anderem ein Notebook, mehrere Festplatten sowie Speicherkarten
und handschriftliche Notizen sicher. Sie gehen einem schwerwiegenden
Verdacht nach: Wusste „Corelli“ doch mehr von der rechtsextremen
Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU), als er zu Lebzeiten
zugab? Ausgelöst hatten die neuen Ermittlungen ein weiterer V-Mann. Wenige
Wochen vor „Corellis“ Tod hatte er sich beim Hamburger Verfassungsschutz
gemeldet und eine CD mit rechtsextremer Propaganda übergeben. Den Datenträger,
so sagte er, habe er bereits 2006 erhalten – von „Corelli“. Die Beamten
waren alarmiert: Denn laut Begleittext handelte es sich bei der Propaganda-
Scheibe um „die erste umfangreiche Bilddaten-CD des Nationalsozialistischen
Untergrunds der NSDAP (NSU)“. War damit womöglich die gleichnamige
Terrorzelle um die Neonazis Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gemeint, die
sich 2011 mit anonym verschickten DVDs zu zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen
bekannt hatte? Zumindest von der martialischen Bildsprache
her erinnert das Cover der Hamburger NSU-CD an die Bekennervideos des
Zwickauer Trios: Unten links ist eine halbautomatische Pistole der Marke
Glock abgebildet, darüber der Ausschnitt eines Hitler-Fotos, ein „Wolfsangel“-
Symbol und der Schriftzug „NSU/NSDAP“ (SPIEGEL ONLINE vom 12. Mai
2014).

 1. Befinden sich alle Asservate, die in der Wohnung des toten V-Manns des
BfV, „Corelli“, sichergestellt wurden, beim Bundeskriminalamt (BKA), seit
wann verfügt das BKA über diesen Bestand an Asservaten, und um welche
Asservate handelt es sich dabei genau (bitte einzeln auflisten)?

Die erfragten Informationen wurden bereits mit der Schriftlichen Frage 35 der
Abgeordneten Martin Renner abgefragt (Bundestagsdrucksache 18/1742 vom
13. Juni 2014, S. 28). Sie sind auch weiterhin Gegenstand eines laufenden Ermittlungsverfahrens
des Generalbundesanwalts (GBA). Um den Fortgang der
Ermittlungen nicht zu gefährden, hat das Bundesministerium des Innern die Anlage
zur Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Ole Schröder vom
11. Juni 2014 als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft.
Sie ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann
dort von Berechtigten eingesehen werden.

2. Aus welchen Gründen und im Kontext welchen Ermittlungsverfahrens hat
das BKA die Wohnung von „Corelli“ am 25. April 2014 durchsucht (bitte
Aktenzeichen und Behörde nennen)?

Die Wohnung des verstorbenen Thomas Richter wurde in zwei getrennten Ermittlungsverfahren
durchsucht.
Die erste Maßnahme erfolgte im Zuge der Todesermittlungen durch das Polizeipräsidium
(PP) Bielefeld am 7. April 2014, die zweite am 25. April 2014 gemäß
Beschluss des Ermittlungsrichters am Bundegerichtshof durch das Bundeskriminalamt
(BKA) im NSU-Komplex (Az. GBA: 2 BJs 74/12-2) zum Zweck der
Sicherstellung potenziell verfahrensrelevanter Asservate. Hauptermittlungsziele
sind die Feststellung der Urheberschaft und Verbreitung der CD „NSU/NSDAP“
sowie mögliche Bezüge zum NSU.

3. Hat das BKA alle die vom Polizeipräsidium Bielefeld sichergestellten
Asservate in ihrem Bestand, und wann genau hat das BKA diese Asservate
auf wessen Veranlassung hin erhalten?

Nein, das BKA hat nur die möglicherweise im Zusammenhang mit dem NSUKomplex
relevanten Asservate in seinen Bestand aufgenommen. Im Übrigen
wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.

4. Welche Asservate hat das BKA vom Polizeipräsidium Bielefeld erhalten
(bitte genau auflisten)?

Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.

5. Hatten die Beamten des BfV, die den verstorbenen „Corelli“ zusammen mit
dem Vermieter am 7. April 2014 tot aufgefunden hatten, unmittelbar danach
mit der Amtsleitung und/oder ihren Vorgesetzten telefoniert, um sie über den
Tod der Topquelle „Corelli“ zu informieren, und hatten sie sich Anweisungen
geben lassen, wie sie sich weiter zu verhalten haben – dies auch bezogen auf
den Schutz von streng geheimen dienstlichen Informationen auf technischen
Geräten oder in den schriftlichen Unterlagen und Dokumenten?

Die eingesetzten Beamten des für die Schutzmaßnahme zuständigen Referates
des BfV haben unmittelbar nach Auffinden der Leiche ihren Referatsleiter fernmündlich
über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt. Durch diesen wurden keine
Anweisungen oder Verhaltensregeln erteilt.

6. Hatte das BfV – nach Kenntnis der Bundesregierung – nach dem Auffinden
des verstorbenen „Corelli“ gegenüber dem Polizeipräsidium Bielefeld
oder gegenüber dem BKA Ansprüche auf Diensttelefone, -laptops,
-kameras etc. geltend gemacht, um streng geheime Daten und Informationen,
die auf diesen Geräten vorhanden waren, zu schützen, und wenn ja,
wie wurde nach Kenntnis der Bundesregierung mit etwaigen Ansprüchen
des BfV auf Asservate in der Wohnung des verstorbenen V-Mannes
„Corelli“ von Seiten der ermittelnden Polizeibehörden umgegangen?

Nein.

7. Hatten die Mitarbeiter des BfV vor Eintreffen der Polizei oder unmittelbar
nach Eintreffen der Polizei, dienstliche Geräte und/oder Dokumente
sichergestellt?

Und wenn ja, wo befinden sich diese jetzt (bitte nach Asservaten, die im
BfV verblieben sind bzw. Zeitraum des Verbleibs beim BfV bis zur Übergabe
an das BKA auflisten)?
Vor dem Hintergrund, dass im Rahmen der Sachleitungsbefugnis nur die Polizeibehörden
und die zuständigen Staatsanwaltschaften zur Sicherstellung bzw.
Beschlagnahme befugt sind, haben die Beamten des BfV zu keinem Zeitpunkt
dienstliche Geräte oder Dokumente sichergestellt.

8. Wurden anhand der Asservate (Kommunikationsmittel wie Handy und
Computer) Verbindungsdaten des „Corelli“ und Kontaktpersonen rekonstruiert?
Und wenn ja, durch welche Behörde?

Und konnte in diesem Zusammenhang auch die Kommunikation zwischen
„Corelli“ und seinen Betreuern vom BfV gefunden werden?
Wenn ja, seit wann, und was waren die wesentlichen Ergebnisse der Rekonstruktion?
Im Zusammenhang mit dem o. g. Ermittlungsverfahren des GBA werden die
Asservate, so auch die Kommunikationsmittel im Hinblick auf die Feststellung
der Urheberschaft und Verbreitung der CD „NSU/NSDAP“ sowie auf mögliche
Bezüge zum NSU ausgewertet. Hier werden auch die Kontakte und Kommunikationsdaten
betrachtet.
Eine mögliche Kommunikation zwischen „Corelli“ und dem BfV fällt hingegen
nicht in den Bereich der bereits genannten Ermittlungsziele im Verfahren des
GBA.
Eine Rekonstruktion von Verbindungen, insbesondere in den letzten Tagen vor
der Feststellung der Leiche, betrifft allein die Zuständigkeit der Todesermittlungsbehörde
(PP Bielefeld); ihr sind die diesbezüglichen Daten aus den hiesigen
Asservaten zur ggf. eigenen Bewertung übermittelt worden.

9. Warum ist die Auswertung des Mobiltelefons oder der Mobiltelefone
durch das BKA erst später geschehen?
Die Auswertung der elektronischen Asservate erfolgte ohne zeitlichen Verzug.
10. Wenn nein, warum ist die Auswertung bis heute nicht erfolgt?

Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen.

11. Ist mittlerweile die CD „NSU/NSDAP“ ausgewertet worden, und wenn ja,
welche wesentlichen Erkenntnisse konnte man

  • a) über das genaue Herstellungsdatum bzw. den Herstellungszeitraum der
    CD,
    b) über die wesentlichen Inhalte der CD,
    c) über den Anteil, den „Corelli“ an der Erstellung von Dateiordnern,
    Texten, Fotos etc. hatte,
    d) über den Anteil, den „Corelli“ an der Herstellung und Verteilung der
    CD hatte, gewinnen?

Bei dem fraglichen Datenträger handelt es sich um eine DVD, die über einen
Unterorder „nscd“ verfügt.
Darüber hinaus sind die abgefragten Informationen Gegenstand eines laufenden
Ermittlungsverfahrens des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof
(GBA). Die Bundesregierung äußert sich nicht zu den Einzelheiten dieses Ermittlungsverfahrens,
um den Fortgang der Ermittlungen nicht zu gefährden.
Trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung,
Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, tritt hier nach
sorgfältiger Abwägung der betroffenen Belange das Informationsinteresse des
Parlaments hinter die aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierende Pflicht zur
Durchführung von Strafverfahren und die damit verbundenen berechtigten
Geheimhaltungsinteressen in einem laufenden Ermittlungsverfahren zurück.
Auch die Nennung einer (Teil-)Bewertung ist aus den genannten Gründen zu
versagen.

12. Konnte das BKA auf der CD „NSU/NSDAP“ bisher Textdateien sicherstellen,
die einen „Rassenkrieg“ und „Kleingruppen-Konzepte“ propagieren
und die „Taten statt Worte“ sowie die Bewaffnung von rechtsextremen
Aktivisten fordern, und wenn ja, in welchem Umfang?

Auf die Antwort zu Frage 11 wird verwiesen.

13. Wie weit ist das BKA mit der Auswertung einer zweiten CD gekommen,
die im Mai 2014 in Mecklenburg-Vorpommern sichergestellt werden
konnte, und welche Erkenntnisse hat man hier gewinnen können?
Die in Mecklenburg-Vorpommern am 15. April 2014 sichergestellte CD ist inhaltsgleich
mit dem auf der DVD befindlichen Unterordner „nscd“.
Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen.

14. Welche wesentlichen Erkenntnisse konnte das BKA aus der Auswertung
der Speicherkarten ziehen, die bei „Corelli“ in der Wohnung gefunden
worden sind?
15. Welche wesentlichen Erkenntnisse konnte das BKA aus der Auswertung
des Laptops ziehen, der bei „Corelli“ in der Wohnung gefunden worden
ist?
16. Welche wesentlichen Erkenntnisse konnte das BKA aus der Auswertung
der externen Festplatten gewinnen, die bei „Corelli“ gefunden worden
sind?
17. Welche wesentlichen Erkenntnisse konnte das BKA aus der Auswertung
der handschriftlichen Notizen ziehen, die bei „Corelli“ in der Wohnung
gefunden worden sind?

Die Fragen 14 bis 17 werden zusammen beantwortet.
Auf die Antwort zu Frage 11 wird verwiesen.

18. Welche juristischen Möglichkeiten sieht der Generalbundesanwalt
(GBA), um gegen die Sperrerklärung des Landesamt für Verfassungsschutz
Hamburg vorzugehen, mit der verhindert werden soll, dass der
Hamburger V-Mann beim GBA aussagen kann, wurden entsprechende
Rechtsbehelfe erhoben oder ist dies beabsichtigt, und wenn nein, weshalb
nicht?
Eine Gegenvorstellung gegen die Sperrerklärung des Senats der Freien und
Hansestadt Hamburg wurde bislang nicht erhoben, weil derzeit Gespräche mit
dem Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg über eine beschleunigte
Lösung im Sinne der angestrebten Beweiserhebung geführt werden.

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