Hajo Funke| Was man nach Paris unterlassen sollte. Zu den Ausfällen des Scharfmachers Söder


Den Terror von Paris und die Flüchtlings-Herausforderung zu vermengen, ist kurzschlüssig und Öl ins Feuer. Die französische Regierung hat erklärt, dass man den Kern der Attentäter kenne, sie in einer Liste der französischen Sicherheitsbehörden auftauchen und sie zu einem Netzwerk französischer und belgischer Terroristen gehören. Diese hoch ideologisierten und organisierten Terroristen haben ihre Netze und Wege. Dass man sie unzureichend auf dem Schirm hatte und die Attentate nicht verhindern konnte, sollte umso dringlicher geklärt werden.

Es gehört zur tragischen Situation der aus Syrien Flüchtenden, dass sie auch in Europa mit den Terroristen aus der Region konfrontiert werden.

Die These aber, eine „unkontrollierte und illegale Zuwanderung“ sei ein relevanter Faktor für die Anschläge von Paris ist unbelegt, ja absurd und in einer Krisensituation wie dieser absolut verantwortungslos. Diese Instrumentalisierung ist umso verantwortungsloser, als Rechtspopulisten auch ohne die Anschläge Ressentiments gegen Asylflüchtlinge mobilisieren und in ihren Schatten Neonazis rechtsterroristische Taten, teils koordiniert, teils nicht, begehen – so den Mordanschlag auf die Kölner Oberbürgermeisterin, so die Kette an Brandstiftungen und Gewalt gegen Flüchtlinge. Das Bundeskriminalamt hat eigens wiederholt davor gewarnt, Attentate wie die in Paris in Deutschland zu instrumentalisieren, weil dies die Gefahr für rechtsterroristische Taten erhöht. Den Terror von Paris und die Flüchtlingslage so zu vermengen, ist selber ein Akt ruch- und schamlosen Rechtspopulismus. Jemand wie Markus Söder sollte sich aus der Politik zurückziehen bzw. zurückgezogen werden.

Zusammenstehen, besonnen, entschlossen

In einer solchen sich vervielfältigenden Krisensituation – Flüchtlinge, die Attentate vom Paris, die zunehmende neonazistische und rechtsterroristische Gewalt und die noch anhaltende Katastrophe von Syrien – ist wie selten sonst die Gemeinsamkeit der Demokraten und effizientes Krisenmanagement gefragt.

Die Bundesregierung hat ihre Entschlossenheit gezeigt, eine solche verhetzende Instrumentalisierung nicht zuzulassen. Der Bundesinnenminister hat zur Geschlossenheit aufgerufen, wo es Tage zuvor noch unterschiedliche Töne zur Kanzlerin gab. Jeder weiß um die Gefahren nach den Erfahrungen der NSU-Mordserie um die Gefahren eines neuen Rechtsterrors. Alles, was solchen Terroristen an Hetze und Ressentiments dient, muss unterbleiben. Umsichtiges und einiges verantwortliches Handeln der politischen Spitzen ist ein, wenn nicht das entscheidende Mittel, um Vertrauen zu schaffen und Angst zu mindern.

Zugleich werden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt – Grenzkontrollen im Blick auf Terroristen. Der Schutz der Flüchtlinge im Blick auf Rechtsterroristen und rechtsextreme Gewalttäter.

Ursachenbekämpfung jetzt: den Krieg in Syrien, die Lage in den Lagern, den IS

Noch immer ist die Lage in den Lagern verheerend – es fehlen mindestens 5-10 Mrd Euro zur Unterstützung der Flüchtlinge in den Flüchtlingslagern rund um Syrien und für die Eingeschlossenen in Syrien selbst.

Zur Ursachenbekämpfung gehört die Klärung der Ursachen: die Zerstörung des Iraks durch den Angriffskrieg von Bush junior und seiner Koalition der Willigen und eine verheerende Besatzungspolitik, die Regierung der schiitischen Mehrheit unter Maliki und die damit verbundene Entfremdung der Sunniten als ein zentraler Grund für die Unterstützung des IS sowie der innenpolitisch begründete vorschnelle Rückzug der Vereinigten Staaten aus dem Irak – die Krise im Irak lässt sich nicht ohne einen sozialen und kulturellen Prozess der Integration von Sunniten und Schiiten lösen.

Zu den Ursachen gehört die Weigerung der Vereinten Nationen, hier insbesondere der Vereinigten Staaten, spätestens Anfang 2012 im Sicherheitsrat mit der russischen Führung zu einem Kompromiss zur Eindämmung der kriegerischen Handlungen und zu Waffenstillständen zu kommen. Die internationale Staatengemeinschaft hat in Wien nun endlich das erste Mal (und bisher nur vorläufig) gezeigt, dass es jetzt zu einer politischen Lösung in der Syrien-Katastrophe kommen muss1 und die Spielereien um die jeweilige Gesichtswahrung westlicher oder russischer Politik ein Ende haben müssen.

Die Verantwortlichen sind aufgefordert, durch aktive Verhandlungen unter anderem der russischen und der amerikanischen Führung einen Waffenstillstand im syrischen Bürgerkrieg durchzusetzen, einen Prozess der Eindämmung der Terroristen durch den Einsatz der Vereinten Nationen im Sicherheitsrat zu beschliessen, die Finanzströme an die Terroristen zu unterbinden und so den hochideologisierten terroristischen „Un-Staat“ (Franz Neumann), der sich IS nennt, erfolgreicher als bisher zu bekämpfen.

1 Die Regierung, insbesondere Frank-Walter Steinmeier und Ursula von der Leyen treten in diesen Tagen vehement für diese Chance der Diplomatie ein.