Helfershelfer bei der Zustellung?


VON ANDREA RÖPKE/ANDREAS SPEIT
Die Anklagebehörde nimmt an, dass Beate Zschäpe die Bekenner-DVDs des NSU allein verteilt hat. Bei wenigen konnte ermittelt werden, wie sie ihre Adressaten erreichten – die Umschläge fehlen.

Screenshot aus dem NSU-Bekennervideo; Quelle: publikative.org

Für den Fall der Fälle war es hergestellt worden: Das Bekenner-Video des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU). Wenige Tage nach dem zufälligen Auffliegen des NSU-Trios Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe   fanden Redaktionen, Parteibüromitarbeiter und Kulturvereinsangehörige die DVD in ihrer Post. „Der Umschlag an uns hatte weder Briefmarken, noch war er frankiert“, sagt Herbert Fuehr, damals zuständiger Politikredakteur der „Nürnberger Nachrichten“.

Im November 2011 landete das Video, auf dem die Comic-Figur Paulchen Panther mit dem Slogan „Taten statt Worte“ höhnisch die Morde und Bombenanschläge vorstellt, auf seinem Schreibtisch. „Der Briefumschlag muss persönlich eingeworfen worden sein, von wem auch immer“, beharrt Fuehr, der mittlerweile im Ruhestand ist. Eine Mitarbeiterin der Zeitung bestätigt seine Aussage.

Ohne Briefmarke in Weimar im Briefkasten

Bis heute sind 16 DVDs des NSU bei verschiedenen Adressen aufgetaucht.  Die Anklagebehörde geht inzwischen davon aus, dass allein die Angeschuldigte Zschäpe auf ihrer Flucht sie verteilt hat. Nur sicher ist das nicht. Von den nur neun sichergestellten Umschlägen sind zwei Briefstempel unleserlich. Sieben Umschläge wurden im Briefzentrum 4, Leipzig-Schkeuditz, bearbeitet. Die Autoren von „Die Zelle“ hatten zudem von einer aufgetauchten Silberscheibe aus Rostock geschrieben. Dazu heißt es jetzt inoffiziell aus hochrangigen Justizkreisen: „Ein Schreibfehler“, jemand habe versehentlich „Rostock-Schkeuditz“ vermerkt.

Vor wenigen Tagen wurde vermutlich erst die letzte DVD nach einem Einbruch in einem Parteibüro der Linken in Weimar entdeckt. Einer Mitarbeiterin fiel die Postsendung mit dem Tonträger wieder ein. Schon Anfang November 2011 hatte sie sie im Briefkasten ohne Briefmarke gefunden, aber einfach nur abgeheftet. „Das ist unglücklich gelaufen“, sagt Martina Renner. Die innenpolitische Sprecherin der Linken im thüringischen Landtag und Mitglied des NSU-Untersuchungsausschuss berichtet weiter, dass zum Zeitpunkt des Fundes, den 5./6. November, noch nicht vom „Nationalsozialistischen Untergrund“ gesprochen wurde. Die Mitarbeiterin dachte, es wäre eine Rechtsrock-CD. In Weimar kann Zschäpe, den Ermittlungsakten zufolge, die DVD selbst eingeworfen haben. Doch die ermittelnden Weimarer Beamten zeigten kein Interesse daran, das Selbstbezichtungs-Video des NSU mitzunehmen. Es verblieb im Büro der Weimarer Stadtratsfraktion der „Linken“. Erfurter Landespolitiker nahmen das Beweisstück dann mit und übergaben sie dem Bundeskriminalamt.

Beste Kontakte zu „Kameraden“ in Nürnberg

Bevor die Neonazistin Zschäpe am 4. November 2011 in Zwickau die gemeinsame Wohnung in Brand setzte, soll sie noch über ein Dutzend der Umschläge mit den DVDs eingesteckt haben. Mit der Bahn, so die Ermittlungen, fuhr sie nach Chemnitz, Leipzig, Eisenach, Bremen, Hannover, Uelzen, Mageburg, Halle, Eisenach, Weimar, Halle, Dresden und Jena. Doch nach bisherigem Erkenntnisstand war sie nicht in Nürnberg. In ihrer Heimatstadt Jena, wo das NSU-Trio den Weg in den bewaffneten Kampf 1998 begann, stellte sie sich am 8. November der Polizei.

Ende 2011 hieß es in den BKA-Akten zum „Asservatenkomplex 15“, den „Nürnberger Nachrichten“, noch: „Eine offizielle Zustellung (zum Beispiel durch die Deutsche Post) wird durch BAO Bosporus mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen.“ Das hieße im Umkehrschluss: Keine Postzustellung in Nürnberg könnte auf Helfershelfer hindeuten. Zu Neonazis in der Stadt hatte das Terrortrio allerdings früh beste Kontakte. In Nürnberg gab es die meisten Morde des NSU. Doch die Ermittler schließen offensichtlich mögliche vertrauensvolle „Kameraden“ der drei, die Exemplare der Bekenner-Videos zur Weiterverbreitung schon hätten liegen haben können, grundsätzlich aus. „Ich bin entsetzt über die Kehrtwende, die die Anklagebehörde jetzt macht. Bisher wurde uns immer Glauben geschenkt“, sagt Fuehr.

Quelle: Blick nach RECHTS

 

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