Hajo Funke|Überfälliger Untersuchungsausschuss in Baden Württemberg – Dürftiger NSU Bericht des Innenministers Reinhold Gall


 „Verschiebung des Tatsächlichen“ (Hannah Arendt über Lüge und Wahrheit)

Überfälliger Untersuchungsausschuss in Baden Württemberg

Dürftiger NSU Bericht des Innenministers Reinhold Gall

Der Bericht der Ermittlungsgruppe Umfeld des Innenministeriums Baden-Württemberg (Bezüge der Terrorgruppe nationalsozialistischer Untergrund nach Baden-Württemberg) enthält viel Material und eine Reihe von Hinweisen. Aber er ist dadurch eingestandenermassen begrenzt, dass er das, was das GBA vorgibt, nicht selbst ermitteln kann, darf und will. Zugleich aber sagt dieser Bericht, dass an den Einschätzungen des GBA nicht gezweifelt werden braucht, ohne dies ausweisen zu können, da es ja laut Bericht gar nicht Gegenstand eigener Ermittlungen sein kann.

Der Bericht belegt, dass es keinen Aufklärungwillen des Innenministers gibt, sondern dass er darin systematisch ist, dass er jeden Zweifel, jede weitere Nachfrage zu ersticken sucht und so Parlament und Öffentlichkeit irreführt. Der Bericht ist gar keiner, sondern ein Dekret des Frageverbots:

(1) Er akzeptiert schlicht die These von den zwei Tätern in Heilbronn und bestreitet, was noch die SOKO Parkplatz an Hinweisen bietet, dass es vermutlich 4-6 Täter bzw. Mittäter waren, unter anderem die mit blutverschmierten Händen bzw. Kleidungsteilen von der Theresienwiese nach Süden geflüchtet sind. Das gilt auch für die unabhängig von einander gemachten Phantombilder, die keine Ähnlichkeit mit den beiden vermeintlichen Alleintätern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zeigen. D. h., man unterstellt etwas, was so nicht ausermittelt ist, ohne dies nachvollziehbar selbst geprüft zu haben.

(2) Thomas Moser weist darauf hin, dass darüber hinaus eines der Phantombilder (das Phantombild Nummer acht) von Personen, die am Mordtag auf der Theresienwiese gesehen worden sind, eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem früheren Informanten, mit Thorsten O, hat. Ein früherer Beamter des Landesamts für Verfassungsschutz hat von diesem Informanten im Jahre 2003 die Information erhalten, dass eine rechtsterroristische Gruppierung mit dem Namen NSU und mit unter anderem der Person Mundlos aktiv sei. Es handelt sich um den Informanten Stauffenberg/Erbse/Thorsten O. Thorsten O war V Mann des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg. War Thorsten O am Tattag auf der Theresienwiese in Heilbronn? Obwohl der Bericht die Existenz von Thorsten O einräumt, unterstellt er schlicht ohne weitere Prüfung, dass es keine Ähnlichkeit zwischen Thorsten O und einem der Phantombilder gibt. Dies bleibt unüberprüft, obwohl es eine Überprüfungs- und Ermittlungspflicht der Ermittlungsgruppe Umfeld gibt. Damit bleibt die zu ermittelnde Frage offen, ob es einen (oder mehrere) Informanten der Sicherheitsbehörden am Mordtag in Heilbronn gegeben hat. Sich mit dem nicht nachvollziehen Bescheid des Innenministers und seiner Ermittlungsgruppe zufriedenzugeben, heißt jeden Aufklärungswillen zu begraben. Das kann weder im Interesse der Öffentlichkeit, noch des Landesparlaments sein.

(3) Geradezu fassungslos macht die wilde These im Bericht, dass kein direkter Bezug von KKK Strukturen in Baden-Württemberg zum NSU nach vorliegenden Erkenntnissen bestehe (vergleiche Seite 26). Noch im September 2013 sahen sich die Landesbehörden gezwungen, Akten an den Untersuchungsausschuss des Bundestages hinsichtlich der Rolle und der Aussagen des V-Manns und KKK Mitgründers Achim Schmid zu übersenden. (Achim Schmid hatte direkten Kontakt zum NSU und wird nicht umsonst in der Maßnahme der Landesbehörden Sachsens „Terzett“ als wesentlicher Informationsträger geführt)

Sie sind bisher erkennbar nicht ausgewertet worden. Achim Schmid, der sich in Deutschland aufhält, hat darüber hinaus eingestanden, dass er hätte angesichts des Zulaufs von Polizisten zu seiner Organisation, eine eigene Polizeisektion gründen hätte können. Nachweislich waren auch Mitglieder der Einheit von Kiesewetter und der Nachbar-Einheiten Mitglieder des KKK und vermutlich auch am Tattag in Heilbronn. Es ist daher geradezu die Aufklärungspflicht des Landtags und gegebenenfalls neuer Ermittlungen auf Basis von Strafanzeigen, dass die Rolle der auf mörderischer Gewalt ausgerichteten KKK Ideologie in Polizeieinheiten endlich angemessen aufgeklärt wird. Man wird auch den Gerüchten nachgehen müssen, dass in Einheiten der Bereitschaftspolizei Thor Steinar Kleidung getragen, ausländerfeindliche Parolen gerufen wurden und es offenkundig eine Prügelei zwischen Polizisten und Migranten gegeben hat. Vor allem stellt sich die Frage, die nicht nur für Baden-Württemberg, sondern von internationaler Bedeutung ist, welche Informationsverbindungen zwischen den Rechtsextremen in der Polizeieinheit und den Rechtsextremisten außerhalb, um den Tattag herum, es gegeben hat. Einfach einen Zufallsmord zu unterstellen, ist abenteuerlich, wenn diese Dinge nicht ausermittelt sind.

Es ist unerfindlich, warum die Landesbehörden die Rolle des KKK wiederholt verharmlost und nicht angemessen die Öffentlichkeit informiert haben, auch über ihr eigenes Verhalten nicht. Das gilt auch für die Frage, ob es wie Clemens Binninger im PUA andeutet, womöglich einen Honigtopf, d.h. eine eigene Gründung von Landesbehörden dieses KKK gegeben hat. Es gibt keine angemessene Aufarbeitung der Verstrickung der Polizei, schon gar nicht durch den Bericht der Ermittlungsgruppe Umfeld.

(4) Dreist ist schließlich die Stellungnahme des Berichts zur Zeugenaussage des Onkels der Polizistin Kiesewetter. Immerhin hat dieser unmittelbar nach der Tat in Heilbronn mitgeteilt, dass die Tat etwas mit den „Türkenmorden“ zu tun habe. Es spricht sehr viel dafür, dass er danach von wem auch immer (wie auch andere) bedroht worden ist, seine Aussage zu wiederholen. Sie nun einfach abzutun, zeigt ein abgründiges Ausmaß an Unwillen, weiter zu ermitteln. Es zeigt die Abwehr.

(5) Es ist eine Ungeheuerlichkeit, zu sagen: „Nach den Ermittlungen der EG Umfeld und den Ermittlungen des für das Todesermittlungsverfahren zuständigen Polizeipräsidiums Stuttgart bestehen keine Zweifel, dass es sich um einen Suizid des jungen Mannes gehandelt hat“ (es geht um Florian H). Mindestens muss man den Hinweisen aus Polizeikreisen selbst nachgehen, nachdem dem jungen Mann Gewalt angetan worden ist. Hier wird schlicht die Unwahrheit verkündet.

(6) Für einen Untersuchungsausschuss spricht darüber hinaus, dass eigene rechtsextreme, neonazistische und terroristische Gruppierungen und Formationen, von denen immer wieder die Rede ist, nicht angemessen öffentlich erörtert werden. Das gilt etwa für die Standarte Württemberg.

Akt der Vertuschung

Der Bericht fällt hinter den Stand des Wissens der eigenen Behörden zurück. Damit ist er ein Akt der Vertuschung. Dies gilt für die Mehrtäterschaft in Heilbronn. Dies gilt für den Gründer des KKK, einem bezahlten Informanten des Verfassungsschutzes. Dies gilt für die Verstrickung der Polizei mit den rassistischen KKK Strukturen, auch in der Polizeieinheit von Michele Kiesewetter. Dies gilt für Beziehung zwischen Personen in Baden-Württemberg und dem NSU. Dies gilt für die Todesumstände des jungen Mannes Florian H.

Angesichts dieses geradezu ungeheuerlichen Ausmaßes an Vertuschung wird gleichzeitig die strategische Bedeutung klar, mit der die Landesbehörden Schweigen durchsetzen wollen. Das wird angesichts der weiteren Enttarnungen, des öffentlichen Drucks und auch der langsam wachsenden Stimmen im Landesparlament, durch einen eigenen Untersuchungsausschuss tatsächlich kompetent zu ermitteln, Akten beiziehen zu können und Zeugen ähnlich einem Gerichtsverfahren vernehmen zu können, nicht mehr lange gelingen.

(H. Funke, 11. 2. 2014)

2 Kommentare

  1. Hanna S. · · Antworten

    „Es spricht sehr viel dafür, dass er danach von wem auch immer (wie auch andere) bedroht worden ist, seine Aussage zu wiederholen.“

    Gibt es dafür konkrete Hinweise, sonst lehnen Sie sich da ganz schön aus dem Fenster.

    1. Ja, es gibt Beweise dafür. (L.B.)

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