NRW| Schriftlicher Bericht: „Unterrichtung der Landesregierung zum Sachstand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in Falle Reker“


Mit dem vorliegenden Bericht der Landesregierung erfolgt die mit Anmeldungsschreiben vom 19. Oktober 2015 angekündigte Unterrichtung zu dem vorbezeichneten Tagesordnungspunkt.

Grundlage der Darstellung ist im Wesentlichen ein Bericht der Generalstaatsanwältin in Köln. Der Inhalt des Berichts der Landesregierung ist mit dem Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof abgestimmt, da diesem nach Übernahme der Ermittlungen die Verfahrensherrschaft und damit auch die Informationshoheitzukommt.

I.

Am Morgen des 17. Oktober 2015, einen Tag vor der Oberbürgermeisterwahl in Köln, näherte sich der Beschuldigte der für das Amt kandidierenden und inzwischen zur Oberbürgermeisterin gewählten Henriette Reker, di~ auf dem Wochenmarkt in KölnBraunsfeld einen Wahlkampfauftritt absolvierte. Er stach ihr mit einem sog. BowieMesser in den Hals und verletzte die Geschädigte schwer. In dem sich anschließenden Tumult verletzte der Beschuldigte vier weitere Personen und fügte ihnen Messerwunden im Bereich des Gesichts, der Brust, des Arms und der Schulter sowie des Unterleibs zu. Der Beschuldigte konnte von einem Zeugen unter Zuhilfenahme einer Flaggenstange von der Gruppe der Verletzten abgedrängt werden und wurde anschließend, nach Ansprache durch einen zufällig anwesenden, nicht im Dienst befindlichen Beamten der Bundespolizei von alarmierten Polizeikräften festgenommen.

II.

Äußerungen, die der Beschuldigte noch am Tatort getätigt hat, und Angaben während seiner Vernehmung lassen darauf schließen, dass der Beschuldigte die Tat aus fremdenfeindlichen Motiven begangen hat. Der Beschuldigte sah die Geschädigte Reker wegen ihres Engagements bei der Flüchtlingsunterbringung in Köln als Mitverantwortliche für ein von ihm wahrgenommenes „Ausländerproblem“ an. Er hat sie gezielt als Tatopfer ausgewählt, um ein Zeichen zu setzen gegen die aus seiner Sicht immer weiter steigende Anzahl von Ausländern in Deutschland und die dieser Entwicklung zugrunde liegenden politischen Entscheidungen.

III.

Das Amtsgericht Köln erließ am 18. Oktober 2015 Haftbefehl gegen den Beschuldigwegen versuchten Mordes in einem in Tateinheit mit gefährlicher letzung in fünf Fällen. Nach einer ersten vorläufigen psychiatrischen Untersuchung bestehen bei dem Beschuldigten keine Anhaltspunkte für eine psychopathologische forensisch-psych iatrisch Störung.

IV.

Am 19. Oktober 2015 hat der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Köln aus folgenden Gründen übernommen: Die verfahrensgegenständliche Tat ist objektiv geeignet (§ 120 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 Gerichtsverfassungsgesetz), die innere Sicherheit der Bundesrepublik durch die ihr innewohnenden Verstöße gegen Verfassungsgrundsätze zu gefährden. Ihr kommt über die Verletzung individueller Rechtsgüter hinaus eine besondere Bedeutung zu. Der spezifisch staatsgefährdende Charakter ist zu bejahen, da die Tat der Ablehnung des freiheitlich-demokratischen Staats- und Gesellschaftssystems der Bundesrepublik in seiner Ausprägung als Parteiendemokratie durch den Täter entspringt und er die Geschädigte Reker nur deshalb als sein Opfer ausgewählt hat, weil sie dieses System und eine bestimmte Politik als Amtsträgerin repräsentiert. Auch die darüber hinaus für eine Übernahme der Strafverfolgung durch den Generalbundesanwalt erforderliche „besondere Bedeutung des Falles“ ist gegeben. Wegen der Auswahl des Tatopfers als Symbol für eine engagierte Flüchtlingspolitik ist die Tat geeignet, bei anderen sich für die Aufnahme von Flüchtlingen aussprechenden Personen sowie haupt- oder ehrenamtlich mit deren Unterbringung und Versorgung befassten Amtsträgern und Helfern ein Klima der Angst vor willkürlichen, grundlosen tätlichen Angriffen zu begründen. Die Übernahme der Strafverfolgung hat der Generalbundesan\J\lalt auch deshalb als geboten angesehen, um der vom Beschuldigten beabsichtigten Signalwirkung seiner Tat für mögliche Nachahmungstäter nachhaltig entgegenzuwirken.

V.

Noch am Tattag war die Wohnung des Beschuldigten durchsucht worden. Die Zentralstelle zur Bekämpfung der Cyber:-Kriminalität für den Bezirk der Staatsanwaltschaft Köln (ZAC Köln) und die bei dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen geführte zentrale l.nternetrecherche (ZIR) wurden noch von der Staatsanwaltschaft Köln damit beauftragt, im Internet tatbezogene oder zumindest motivationserhellende Handlungsspuren des Beschuldigten aufzudecken. Ein Schwerpunkt der Ermittlungen liegt derzeit in der weiteren Aufklärung der Tatmotivation und der Frage, ob und in weichem Umfang der Beschuldigte in der Vergangenheit mit fremdenfeindlich und/oder wegen des und r11it Blick auf motivierten Handlungen aufgefallen ist. Weitere um nicht zu n …… ‚~“l!nrN …. „‚.,. Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten, nicht mitgeteilt werden.

Quelle: Justizministerium des Landes Nordrhein … Westfalen